Figuration und Imagination

Text zur Ausstellung von Maja Naef
Gerd Bonfert, Philipp Gasser Noori Lee, Leif Trenkler
Tony Wuethrich Galerie, 2002

In der 2000 entstandenen Projektion Rentrer des in Basel lebenden Künstlers Philipp Gasser (1958) generieren sich die Figurationen des Gesichts aus Animationssequenzen. Der Struktur des Bildes ist damit eine definierte Zufälligkeit, Nichtlinearität und Unkontrollierbarkeit der Abfolgen zugrunde gelegt. In einem aufwändigen Arbeitsprozess zeichnet Gasser am Computer die zuvor in wenig charakterisierenden Linien festgehaltenen Porträts seiner Eltern nach. Aus diesem Rotoscoping-Verfahren entstehen Hunderte von Strichzeichnungen; Einzelbilder, die schliesslich in einer Videosequenz wieder zusammengefasst werden. Aus der Projektion geht ein sich ständig weiter ausdifferenzierendes Abbild eines Gesichts hervor. Zuerst ist es schemenhaft nur mit wenigen Strichen angedeutet, ehe es durch das Addieren von immer mehr Einzelzeichnungen der Zeit und damit der Vergänglichkeit unterworfen wird. Das Individuelle des Porträts verkommt zu einer Maskierung. Dieser zunehmende Verfremdungsgrad endet letztlich in einer Art Selbstauflösung, bei der die einst bedeutungsstiftenden Umrisse nur noch als wucherndes Geflecht schwarzer Linien erkennbar sind. Gasser fügt aber nicht nur Einzelbilder übereinander, sondern lässt auch zwei Medien miteinander interagieren: in der Vermischung von Zeichnung und Animationsbild konfrontiert er die Figuration mit Imagination. Die Nachahmung einer zeichnerischen Bewegung im Computer erweist sich zudem als Auseinandersetzung mit Abbildungsprozessen. Im Rückgriff auf die Zeichnung als Medium des Provisorischen, Unvollendeten, Skizzenhaften artikuliert sich gleichzeitig das Zurückkehren – rentrer – zu eigenen biographischen Dispositionen.